Dies ist ein Auszug aus dem Buch Das Praxisbuch Pedelec für Einsteiger - Kaufberatung & Fahrpraxis
Autor: Rainer Gievers - Publiziert im Januar 2021
Die Entwicklung im Fahrrad- beziehungsweise Pedelec-Bereich ist weitgehend abgeschlossen. Zwar bringen die Hersteller jährlich neue Modelle auf den Markt, deren Neuerungen halten sich aber in Grenzen, sodass es sich meistens preislich die Anschaffung eines Vorjahresmodells lohnt.
Sie mögen den Eindruck haben, dass inzwischen jede Zielgruppe mit dem passenden Pedelec bedient wird, dem ist aber nicht so. Insbesondere ältere Personen oder Menschen mit Behinderung haben riesige Probleme auf dem Pedelec das Gleichgewicht zu halten und die Koordination von Schaltung und Antrieb bei gleichzeitiger Verkehrsumsicht stellt schon für »normale« Nutzer in der Stadt eine große Herausforderung dar.
Für Ältere und Menschen mit Behinderung sind Dreiräder interessant, auf die man wie auf einem Fahrrad sitzt. Vor oder hinter dem Fahrer besteht in der Regel eine Ablagemöglichkeit für Einkäufe oder ähnliches.
Uns bekannte Anbieter sind:
Die Anbieter habe einige ihrer Gefährte auch in Pedelec-Ausführung im Programm.
Liegeräder gibt es mit zwei oder drei Rädern. Erstere lassen sich fasst wie normale Fahrräder nutzen, außer dass man bequem in einer Art Schalensitz Platz nimmt. Unser Fokus soll in diesem Kapitel aber auf den Fahrzeugen mit drei Rädern liegen.
Im Liegedreirad (»Trike«) sitzt beziehungsweise liegt der Fahrer. Der Antrieb erfolgt -- je nach Modell -- mit oder ohne Motorunterstützung. Auf ebener Strecke lassen sich mit Liegedreirädern allein durch Muskelkraft hohe Geschwindigkeiten erreichen, denn der Fahrer stellt aufgrund seiner liegenden Haltung kein Windhindernis dar. Bis in die 1930er Jahre waren übrigens Liegeräder im Straßenrennsport verbreitet, wurden dann aber wegen ihres deutlichen Vorteils verbannt.
Weniger gut sieht es mit der Sicherheit aus: Zwar liegt der Schwerpunkt ziemlich tief, weil das Gefährt aber nur drei statt vier Räder hat (auf den Grund kommen wir noch), ist die Kippgefahr in schnell durchfahrenen Kurven extrem hoch. Dafür ist die Fahrt auch auf glatter Straße möglich, denn zumindest ein Umkippen ist ausgeschlossen.
Das Fahrzeug wird im Straßenverkehr wegen seiner niedrigen Höhe leicht übersehen und bietet seinem Fahrer auch nicht die gleiche Übersicht wie ein Fahrrad. Der manchmal angebrachte Wimpel hilft da auch nicht weiter, denn andere Verkehrsteilnehmer rechnen mit einem langsamen Kinderfahrrad und nicht mit einem schnellen Gefährt.
Liegeräder benötigen mehr Platz auf der Straße, weshalb sich Schlaglöcher nur schlecht umfahren lassen. Empfehlenswert ist die Anbringung eines Rückspiegels, denn der vom Fahrrad gewohnte Schulterblick ist auf dem Liegedreirad nicht möglich. Auch die Wendigkeit lässt sich nicht mit einem Fahrrad vergleichen.

Liegerad von HP Velotechnik. Quelle: www.hpvelotechnik.com | pd-f
Die übliche Bauform für Liegedreiräder sind zwei lenkbare Räder vorne und ein angetriebenes Rad hinten. Meistens sind die Vorderräder kleiner als das Hinterrad. Der Lenker befindet sich entweder oberhalb der Beine oder läuft neben dem Oberkörper in zwei Griffen aus, wie auch auf der obigen Abbildung zu sehen.
Warum bei Liegerädern drei statt vier Räder Standard sind? Das hat ganz praktische Gründe, denn bei vier Rädern müssen zwei davon angetrieben werden, weshalb dann ein Differential Pflicht ist. Durchfahren Sie eine Kurve, würde das zur Kurveninnenseite liegende Rad, welches ja weniger Strecke zurück legen muss, ohne Differential durchrutschen. Die Differentialmechanik bedeutet aber mehr Gewicht, das man sich durch die Verwendung von nur einem angetriebenen Rad ersparen kann.
Optional bieten einige Hersteller eine Plexiglasabdeckung oder ein Verdeck an, das gegen den Fahrtwind und leichten Regen schützt.

Plexiglasabdeckung bei einem Liegerad von HP Velotechnik. Quelle: www.hpvelotechnik.com | pd-f
Anbieterliste für Liegeräder (teilweise ohne Motor):
Liegeräder sind aufgrund geringer Nachfrage und kleiner Produktionsmenge vergleichsweise teuer und nur bei wenigen Fachhändlern im Angebot. Vor dem Kauf empfiehlt sich eine längere Pobefahrt.
Velomobile sind eine besondere Spielart der Liegeräder mit Vollverschalung, meistens aus mit in Kunstharz getränktem Kohlefasergewebe.
Das Cockpit ist in der Regel offen, das heißt, es schaut nur der Kopf hinaus, optional steht eine Cockpit-Haube zur Verfügung, damit auch Regenwetter kein Problem darstellt. Durch die geschlossene Bauweise ist bei kühlem Wetter in der Regel keine zusätzliche Heizung nötig, weil die vom Nutzer abgegebene Körperwärme vollkommen ausreicht. Das Einsteigen ins meistens enge Cockpit setzt etwas Übung voraus.
Velomobile werden in sehr geringen Stückzahlen produziert und sind -- je nach Ausstattung -- mit aufgerufenen Preisen von 5.000 bis 10.000 Euro sehr teuer. Dafür ist allerdings auch der Wiederverkaufswert recht hoch. Vor dem Kauf sollten Sie sich über Abstellmöglichkeiten und Versicherungskosten informieren, denn Velomobile sind ein gefragtes Diebesgut!
Die wichtigsten Hersteller/Anbieter:
Dem Vorteil des geringeren Luftwiderstands im Vergleich zu den offenen Liegerädern steht das höhere Gewicht von mindestens 30 kg entgegen. Sind Bergfahrten geplant, empfiehlt sich auf jeden Fall der Einbau eines Motors für den Pedelec-Betrieb.
Fast immer kommt das Velomobil nicht aus dem Regal, sondern wird nach Kundenwunsch produziert. In der Grundausstattung kostet zum Beispiel das Mango Plus1 von Sinner Bikes 5650 Euro und die optionale Antriebseinheit mit Akku schlägt mit weiteren 1600 Euro zu Buche. Die Aufpreisliste für Zubehör und Ausstattungsvarianten weist mehrere dutzende Einträge auf, welche die Kosten bis über 10.000 Euro hochtreiben können.
Unfälle sollte man nach Möglichkeit vermeiden, denn die Reparatur ist von Laien ohne entsprechende Erfahrung in der Kunstharzverarbeitung nicht durchführbar. Hier sollte man eine Fachwerkstatt beauftragen. Leider führt jede Reparatur zu einem höheren Fahrzeuggewicht.
Für die großen Fahrradproduzenten lohnt sich das Risiko eines Einstiegs in die Velomobil-Produktion wohl nicht. Damit Velomobile dennoch zum Massenprodukt werden, müssen unserer Ansicht nach einige Voraussetzungen erfüllt werden:
In den letzten zwei Jahren haben manche Hersteller, von den wir hier einige vorstellen möchten, sehr große Fortschritte bei der Entwicklung von praxistauglichen Velomobilen gemacht:
Das Podbike Frikar (www.podbike.com) aus Norwegen hat ein futuristisches Design und wiegt dank der Verwendung von Leichtbaumaterialien nur knapp 90 kg. Beispielsweise besteht der Boden aus einer wabenförmigen Aluminiumsandwichplatte. Der Nutzer wird durch eine gewölbte Plexiglasscheibe, ähnlich einer Flugzeugkanzel, vor Wind und Wetter geschützt. Genaue technische Daten und mögliche Optionen sind noch nicht bekannt, weil sich das Frika noch in Entwicklung befindet. Der Grundpreis soll aber um 5000 Euro netto zuzüglich Umsatzsteuer betragen. Die Produktion ist Ende 2020 gestartet, wobei derzeit nur eine Version mit kleinem Stauraum geplant ist, in dem man auch ein Kleinkind mitnehmen kann. Interessenten können sich das Fahrzeug mit einer Anzahlung bereits reservieren, müssen aber wegen den hohen Nachfrage mit einem Liefertermin in 2022 rechnen. Die genauen Ausstattungspreise für das Podbike Frika werden Ende Januar 2021 bekannt gegeben.

Screenshot von der Podbike-Website (www.podbike.com)
Das CityQ des gleichnamigen norwegischen Herstellers (www.cityq.com) soll 70 kg wiegen und mit 2 Akkus eine Reichweite von 100 km haben. Als Endpreis werden 7450 Euro zuzüglich gesetzliche Steuern und Transportkosten genannt. Die Vorbestellung ist bereits möglich, den genauen Liefertermin nennt der Hersteller allerdings noch nicht. Erste Exemplare sollen Anfang 2021 ausgeliefert werden.
Die nachfolgend vorgestellten Elektrofahrräder eignen sich vor allem für Stadtbewohner, die Wert auf ein stylisches Gefährt legen, was schon die Bezeichnung »Urban Bike« (engl. Stadt-Fahrrad) suggeriert. Damit verbunden sind in der Regel Komfortfunktionen wie elektronischer Diebstahlschutz und Smartphone-Anbindung. Für sehr lange Strecken oder gar Fahrten im Bergland oder holpriger Strecke sind diese Design-Pedelecs eher nicht gedacht. Dazu reicht zum einen der Motordrehmoment meistens nicht aus, zum anderen verzichten die Hersteller auf Federgabeln und verlassen sich darauf, dass Stöße durch die Reifen abgefangen werden. In der Stadt können Design-Pedelecs allerdings ihr geringes Gewicht für schnelles Anfahren ausspielen. Auch der im Vergleich zu konventionellen Pedelecs um mindestens 1000 Euro günstigere Preis spricht für diese Fahrzeuggattung.
Der Übergang zwischen »normalen« Pedelecs und Urban Bikes ist übrigens fließend, denn genau genommen kann man auch manche günstige Pedelecs mit einfachster Ausstattung dieser Klasse zuordnen, wenngleich die Smartphone-Anbindung fehlt.
Vom gleichnamigen belgischen Unternehmen (Website: de.cowboy.com) stammt das Cowboy, welches inzwischen in dritter Neuauflage als Cowboy 3 verkauft wird. Erwähnenswert sind das kantige, aufgeräumte Design mit Zahnriemenantrieb und im Rahmen integrierter Beleuchtung. Auf eine Gangschaltung wurde verzichtet, was zum niedrigen Gewicht von 16,9 kg beiträgt. Der Hinterradmotor bietet 30 Nm maximales Drehmoment und kommt mit dem 360 Wh (10 A)-Akku laut Hersteller auf bis zu 70 km Reichweite. Der Preis beträgt 2290 Euro.

Das Cowboy 3 ist in den Farbvarianten schwarz, grau und hellgrau erhältlich (Foto: Cowboy)
Aus den Niederlanden kommt das VanMoof S3, das auch mit kleineren Rahmen als X3 erhältlich ist. Der Vorderradmotor 19 kg schweren Pedelecs mit 59 Nm Drehmoment bezieht seinen Strom aus einem 504 Wh-Akku und kommt laut Hersteller auf 60 bis 150 km Reichweite. Im Hinterrad befindet sich eine elektronische 4-Gang-Nabenschaltung, die Kraftübertragung von den Pedalen erfolgt über eine Kette. Sollten Sie mal den Akku leer fahren, ist der Tretbetrieb weiterhin möglich, weil genügend Akkureserve für die Schaltung reserviert bleibt. Der Akku lässt sich nicht entnehmen, weshalb Sie am Abstellort eine Steckdose einplanen müssen. In den Farbvarianten hellgrau und schwarz kostet das VanMoof S3 jeweils knapp 1998 Euro.
Weitere Urban Bikes in der Übersicht (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
https://www.sinnerbikes.com/wp-content/uploads/2017/06/Prijs-en-optielijst-Mango-Plus-2017-D.pdf (abgerufen am 31.07.2020)